Fotos & Berge
16.08.2014 / Reise + Wanderung

Hohe Tatra • Karpaten

Hohe Tatra – das klingt geheimnisvoll und verlockend. Ich buche.
Eine lange Busfahrt steht bevor, 10 Stunden und 900 Kilometer. Bei der Fahrt durch die Slowakei erinnern mich die riesigen Reklame-Tafeln, neben der Straße auf hohen Säulen stehend, an eine andere, an eine vergangene Zeit. Das Berghotel Hrebienok, auf 1285m Höhe an den Südhängen der Hohen Tatra oberhalb von Starý Smokovec gelegen, stammt auch aus dieser vergangenen Zeit …
Ein Orkan hat im November 2004 fast die Hälfte aller Bäume auf den Hängen zerstört, immer noch sichtbar.

Sonntag
Als Auftakt erwartet uns ein 21km langes Teilstück der Tatranská magistrála, wir gehen vom Hotel los Richtung Westen. Ein hohes Tempo wird vorgelegt, angesichts der Entfernung auch angemessen, aber ich bin wohl nicht gut vorbereitet, und ich komme anfangs mit der ungewohnten Beschaffenheit der Wege nicht zurecht, die richtige Sprung-Technik bergauf und bergab will geübt sein. Die Wege in der Hohen Tatra sind „gepflastert“, von Hand verlegte Granit-Steine und Platten und erfordern stete Aufmerksamkeit. Ein Blick zuviel in die Landschaft kann fatale Folgen haben, und wenn er doch einmal gewagt wird, so erfreut er das Auge, und es zeigen sich rechts die leider Wolken verhangenen grauen steil aufragenden Granit-Gipfel und links die in die Ebene sanft abfallenden Hänge und in der Ferne die Hügel der Niederen Tatra. Bei Ostrva 1980m steigen wir hinab zum Popradské Pleso, und auf der Straße gehen wir das Tal hinaus bis zur Haltestelle einer modernen Schmalspurbahn, zwängen uns mit vielen anderen in den Zug. In Starý Smokovec steigen wir um in eine ebenso moderne Standseilbahn, die uns hinauf zum Hotel bringt.

Montag
Priečne sedlo 2352m
Die 3-Hütten-Tour, die erste Hütte Zamkovského chata noch unterhalb der Baumgrenze erreichen wir in einer Stunde vom Hotel aus. Im Tal Malá Studená dolina steigen wir auf zur zweiten Hütte Téryho chata, umgeben von fünf Seen. Der Übergang über den felsigen Pass Priečne sedlo ist mit Ketten gesichert. Die Hütte Zbojnicka chata ist bereits zu sehen. Der Marsch dorthin, wieder an Seen vorbei, dauert dennoch anderthalb Stunden, und in weiteren 2,5 Stunden laufen wir das Tal Veľká Studená dolina hinaus bis zum Hotel. Ein relativ sonniger Tag, so könnte es bleiben.

Dienstag
Wir fahren nach Osten bis zum Parkplatz für die Hütte am Zelené pleso. Die 6 € Parkgebühr sind ordentlich.
Auf der Forststraße laufen wir eine Stunde, an der Verzweigung rechts, und dann weiter im (Bären?) Wald noch mal zwei Stunden bis zu einem kleinen See. Rechts ist der Bergkamm der Weißen Tatra (weiß = Kalk) zu sehen, heute aber wegen der Wolken in tristem Grau. Weiter an einem kleinen See vorbei und hinüber zur Hütte. Beeindruckender Talschluss, unmittelbarer Blick in die 900 m hohe von Wolken umwaberte Nordwand des Malý Kežmarský. Locker traben wir in zwei Stunden zurück zum Bus. In Starý Smokovec gibt es in einem Selbstbedienungscafe Eiskaffee und Kuchen, was gut zu diesem Kurz-Wandertag passt.

Mittwoch
Bystré sedlo 2314m
Wir fahren zum Štrbské Pleso, ein auch im Sommer beliebter Wintersportort. Viele geschlossene Hüttchen stehen herum. Wir steigen auf im Tal Mlynická dolina, an einem Wasserfall vorbei, hinauf zu zwei Seen, der zweite ist erst von weiter oben sichtbar. Die Wolken hüllen alle Gipfel ein. Wieder helfen Ketten über die Felsen hinauf und hinab. Seen sind in der Hohen Tatra zahlreich, also gehen wir auch beim Abstieg an zweien vorbei und queren dann hinauf zur Bergstation. Der Sessellift (mit keycard) erledigt den restlichen Abstieg. Von oben beobachten wir die Bären beim Beeren-Naschen – ein Scherz. Die Hüttchen sind jetzt geöffnet.

Donnerstag
Es regnet. Da bietet sich eine überdachte Wanderung an. Wir fahren zur Tropfsteinhöhle Belianska jaskyna. Das Mitnehmen der Kamera erfordert weitere 10 €, also lasse ich es. Wunderschöne Sinter-Formationen sind zu sehen, ein Wasserfall (aus Kalk) zum Beispiel, mich beeindrucken zwei Tropfsteine, Stalagmit und Stalaktit, die nur wenige Zentimeter bis zur Vereinigung brauchen, aber sich noch Jahrhunderte werden gedulden müssen. Eine Welt ohne Zeit.
Der Nachmittag und Abend dienen der gastronomischen Erkundung und kulturellen Erbauung, wie der Pflichtbesuch im Nationalpark-Museum und Botanischen Garten. Unser Abendessen im Koliba in Starý Smokovec wird untermalt von slowakischer Live-Musik.

Freitag
Rysy 2503m
Der erste und einzige Gipfel steht an. Über den Berg verläuft die Grenze zwischen der Slowakei und Polen. Wir starten am Štrbské Pleso (Radovan fährt den Bus zur bereits bekannten Haltestelle Popradské Pleso, wir treffen ihn später) und queren mit viel Aussicht hinauf zum Popradské Pleso. Weiter geht’s, wir sind nicht alleine, immer in der Schlange bleiben. Eine mit Ketten versicherte Stelle ist zu überwinden, hier bildet sich ein Wanderer-Stau, ein Erlebnis ganz besonderer Art. Die Hütte Chata pod Rysmi wird noch ignoriert, weiter in den Sattel und hinauf auf die beiden Gipfel des Rysy. Den Blick nach Polen verwehren Nebel und Wolken. Auch sonst ist die Aussicht durch die Wolken leider eingeschränkt. Beim Abstieg wird die Hütte nicht ignoriert, und dann an der Ketten-Stelle wird wieder gewartet. Die inzwischen müden Beine absolvieren noch den Besuch des Bergsteiger-Friedhofs, ein interessanter Abschluss für diese Touren-Woche.

Mit Radovan, Birgit + Holger, Anja, Loni, Maria, Roswitha, Rolf.
Die lokale Organisation und Betreuung sind perfekt, ein Widerspruch zur Unterkunft, das Zimmer wird kaum gereinigt, und – eher amüsant: die Vorspeisen überraschen mit ihrer Schlichtheit, eine halbe Scheibe Brot, darauf eine Tomaten- oder Pfirsichscheibe mit einem Klecks Quark-Ähnlichem.
Ein mentales Erfassen der Landschaft, die etwa den Zillertaler Alpen nicht unähnlich ist, wird durch die Konzentration auf den Weg erschwert, ich hätte mir längere Pausen und eine bessere Kondition gewünscht.
Die meisten Gipfel in der Hohen Tatra sind gesperrt, d.h. nur mit Bergführer zu besteigen, das ist schade, denn die Schwierigkeiten sind laut Rother Wanderführer gering. Der eine oder andere Gipfel, auf den kein gepflasterter Weg führt, könnte also durchaus ins Programm aufgenommen werden.
Beim Buchen eines weiter entfernten Reiseziels entsteht bei mir ein (nicht gerechtfertigter) Anspruch auf Exklusivität, einen Berg mit hunderten anderen zu teilen wie den Rysy macht ein seltsames Gefühl. Natürlich ist diese Überbevölkerung nicht überraschend, da die kleine Hohe Tatra die einzige Wanderregion in der Slowakei ist. Die Beliebtheit im Programm zu erwähnen, ist sicher kein Fehler.

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